Cagliari – zwischen Schönheit und Verfall

Ganz im Süden Sardiniens liegt Cagliari, die vielseitige Inselhauptstadt mit ihren verwinkelten Gassen. Die bewegte Geschichte der Stadt macht Cagliari zu dem bunten Schmelztiegel, der es heute ist.Das italienische oder besser sardische Lebensgefühl kann man vor allem in den Altstadtvierteln Marina und Castello spüren. Dort befinden sich die prunkvollsten Bauten und schönsten Plätze der Stadt. Doch die italienische Wirtschaftslage hat auch hier ihre Spuren hinterlassen: Fein renovierte Palazzi reihen sich mit zerfallenen Wohngebäuden an löchrigen Straßen aneinander. Trotz alledem ist Cagliari mindestens eine Erkundungstour wert:

Die klassizistischen Fassaden an der Via Roma

Marina:

Das Hafenviertel kann man als das Herz der Stadt bezeichnen: Riesige Schiffe ankern an den Docks, eine große Auswahl an ausgezeichneten Restaurants liegt in den engen Gassen und auf der Piazza Yenne trifft sich am Abend gefühlt ganz Cagliari. Besonders beeindruckend sind die klassizistischen Fassaden an der Via Roma: Unter den Arkaden sitzt man mit einem Kaffee oder Gelato und beobachtet die vorbeiziehenden Passanten. An der Kreuzung zum Largo Carlo Felice liegen der ganz aus Marmor erbaute Palazzo Civico und das Kaufhaus La Rinascente.

Wer Hunger hat, der schlendert einfach durch die Straßen hinter der Via Roma. Dort verstecken sich viele Restaurants, die nicht nur italienische, sondern auch indische oder afrikanische Speisen anbieten. Denn nach zehn Tagen Sardinien war ich froh, wieder mal etwas anderes außer Pizza und Pasta zwischen die Zähne zu bekommen 🙂

Prachtbauten am Hafen

Bindeglied zwischen Marina und Castello: Bastione di Saint Remy

Bastione di Saint Rémy:

Wohl eines der monumentalsten Gebäude ist die Bastione di Saint Rémy, die gemeinsam mit der Terrazza Umberto I eine Verbindung zwischen der Marina und dem Castello herstellt. Zwei Treppen führen durch einen beeindruckenden Triumphbogen zu Cagliaris schönstem Aussichtspunkt. Außerdem stehen für alle, die nicht Treppensteigen wollen oder können, Lifte zur Verfügung.

Wo sich heute eine Plattform mit Sitzbänken, Palmen und herrlichem Panorama befindet, thronte einst die spanische Festung. Denn bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts herrschten in Cagliari die spanischen Aragonesen. Nachdem ein Großteil der Festung weichen musste, entstand der beliebte Platz. Die weitläufige Terrazza wurde zwar im zweiten Weltkrieg zerstört, danach aber mit Marmor und Sandstein wieder aufgebaut. Der Blick auf die Stadtviertel und die dahinterliegenden Salzseen ist wirklich einzigartig. Wer genau hinsieht, kann die im Wasser nach Nahrung suchenden Flamingos erkennen.

Die beeindruckende Terrazza Umberto I

Blick durch den Triumphbogen

Dunkle Gassen im Castello

Castello:

Neben der Marina der Dreh- und Angelpunkt Cagliaris. Durch massive, steil abfallende Mauern grenzt sich das Burgviertel vom Rest der Stadt ab. Im 13. Jahrhundert errichteten die Pisaner eine mächtige Festung, die dauerhafter Sitz des Adels und der Regierung wurde. Aus diesem Grund entstanden im Castello viele Kirchen und detailreiche Palazzi. Die spanischen Besetzer gingen sogar soweit, dass sie den Sarden den Zutritt zur Burg komplett verboten und sie bei Missachtung von der Burgmauer schmissen.

Heute zeigt sich das Castello wie ein dunkles Labyrinth aus Straßen, die nur so breit wie ein Auto sind. Was keinen Einheimischen davon abhält, hier mit Karacho durchzubrausen. Dann bringt nur mehr der ein oder andere Hauseingang Rettung. Wenig Licht dringt in die Häuserschluchten, die zwischen Verfall und italienischem Flair schwanken. Jedenfalls werden Besucher an den Rändern des Viertels immer wieder mit tollen Ausblicken belohnt.

Massive Mauern grenzen das Castello-Viertel ab

Blick auf die Salzseen mit Flamingos

Die Marmorfassade der Kathedrale

Der massive Kirchturm

Kathedrale Santa Maria:

Einen Lichtblick (im wahrsten Sinne des Wortes) zwischen den dunklen Gassen des Castello-Viertels stellt der Kirchenplatz dar. Hier steht die Hauptkirche der Stadt. Ihre fein gegliederte Fassade mit den drei Portalen besteht aus Marmor und wird vom Glockenturm flankiert. Mit dem angrenzenden, in rosa gehaltenem Antico Palazzo di Città, dem alten Rathaus Cagliaris, bildet die Kathedrale ein schönes Ensemble. Sehenswert ist vor allem der prunkvolle Innenraum der Kirche. Das Auge schweift vom farbenprächtigen Steinfußboden über den goldenen Altar zu den plastischen Deckengemälden. Außerdem ist die Krypta unterhalb des Altars einen Besuch wert. Mehr Infos zur Kathedrale: https://www.sardegnaturismo.it/en/explore/cathedral-santa-maria-di-castello

Beeindruckender Innenraum

Prunkvoller Seitenaltar

Citadella dei Musei

Citadella dei Musei:

Ein Paradies für Museumsfans wie mich ist der brutalistisch angehauchte Komplex an der Piazza Arsenale. Die unterschiedlichen, leider teilweise vernachlässigten Gebäudeteile gruppieren sich um einen terrassenförmigen Garten. Auch die Universität nutzt Teile des Komplexes. Der Name leitet sich übrigens von der ehemals hier befindlichen Zitadelle ab, auf deren Mauerresten in den 1990er Jahren die Museen gebaut wurden.

In den Räumlichkeiten finden unterschiedliche Ausstellungen ihren Platz. Die bekannteste ist die archäologische Sammlung, die einen interessanten Einblick in die Geschichte der Insel ermöglicht. Hier erfährt man zum Beispiel viel Wissenwertes über die Nuraghen (Steintürme, die sich über die ganze Insel verteilen). Daneben befinden sich in der Citadella dei Musei die Pinacoteca Nazionale, das ethnographische Museum, ein Wachsfigurenkabinett und das sehr empfehlenswerte Museo d'Arte Siamese. Letzteres zeigt eine kleine, aber sehr feine Sammlung asiatischer Kunstgegenstände. Für die Ausstellungen ist jeweils einzeln Eintritt zu zahlen: https://www.sardegnaturismo.it/en/explore/cittadella-dei-musei

Museo d'Arte Siamese

Kleine, aber feine Sammlung

Torre di San Pancrazio:

Nur wenige Schritte von der Citadella dei Musei entfernt steht der Torre di San Pancrazio. Der 36 Meter hohe Turm markiert den höchsten Punkt des Castello-Viertels. Der Turm verfügt über vier offene Plattformen, die über Holztreppen verbunden sind. Die oberste Etage diente früher als Observatorium und bietet einen tollen Panoramablick über Cagliari. Der Eintritt kostet drei Euro.

Torre di San Pancrazio

Rückseite des Elefantenturms

Torre dell'Elefante:

Ebenfalls im Castello-Viertel erhebt sich der bekannteste Turm Cagliaris, der Elefantenturm. Bei meinem Besuch war er leider eingerüstet und wurde renoviert. Seinen Namen verdankt er einer kleinen Elefantenfigur, die sich oberhalb des Durchgangs befindet. Speziell und ziemlich makaber ist der frühere Nutzen des Marmorelefanten: Im Mittelalter wurden die abgetrennten Köpfe der Hingerichteten als Abschreckung auf dem Rücken des Dickhäuters zur Schau gestellt. Vom 35 Meter hohen Turm hat man eine beeindruckende Aussicht. Nach der Besteigung bietet sich eine Kaffeepause auf der nahen Piazza Yenne an.

Palazzo Civico

Von A nach B:

Tja, das ist so eine Sache. Das Verkehrschaos italienischer Städte ist ja weithin bekannt, Cagliari ist keine Ausnahme. So lässt das öffentliche Verkehrsnetz zu wünschen übrig. Es gibt unterschiedliche Buslinien und eine Straßenbahnlinie, die die Außenbezirke mit dem Zentrum verbinden. Die Tickets sind günstig, eine einfache Fahrt kostet 1,30 Euro. Die Straßenbahn verbindet die Universität mit der Piazza Repubblica und fährt sehr verlässlich circa alle 5 Minuten. Ansonsten am besten zu Fuß durch die hügelige Stadt bewegen und auf die rasanten Auto- und Vespafahrer achten. Wer sich dennoch mit dem Auto ins Zentrum traut, der findet am Hafen einen großen Parkplatz.

Cagliari, die einzig wahre Großstadt Sardiniens, hat viele schöne Ecken zu bieten. Diese verstecken sich ausschließlich im Zentrum rund um das Marina- und Castello-Viertel. Außerhalb besteht Cagliari aus einer schmucklosen Ansammlung von Wohnblocks und Industriegebäuden. Als Italien-Liebhaber könnte man den teilweise schlechten Zustand der ehemals prunkvollen Palazzi und öffentlichen Plätze bemängeln. Wer während einer Sardinienreise neben atemberaubenden Stränden und grotesken Granitlandschaften ein wenig Stadtluft schnuppern möchte (bildlich gesprochen, ich meine nicht die Abgase) sollte Sardiniens Capitale definitiv einen Besuch abstatten.

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